Rangordnung und Dominanz
Unsere Meinung zum Thema.
Unsere Meinung zum Thema.
In der Hundeszene macht sich in letzter Zeit ein merkwürdiger Trend breit: Bestimmte Wörter werden langsam aber sicher zu „Unwörtern“ und mit der Benutzung derselben outet sich die Autorin oder Hundetrainerin im Handumdrehen als anscheinend hoffnungslos altmodische Anhängerin der Brutalofraktion. (Kleine Anmerkung: Wir verwenden der Verständlichkeit und Lesbarkeit halber die weibliche Form der Anrede. Selbstverständlich ist der männliche Leser ebenso gemeint und soll keinesfalls diskriminiert werden).
Die Dominanztheorie sei widerlegt, liest frau allerorten. Was – bitte schön – ist denn die Dominanztheorie? In der gesamten fachlich fundierten Hundeliteratur, die uns bekannt ist, wird sie nicht erwähnt.
Ist damit der wirklich uralte Zopf gemeint , dass beispielsweise ein am Kauknochen verteidigenderweise knurrender fünf Monate alter „Rocker“ „dominant“ ist oder alle ungehorsamen Hunde auf einmal zu „Kopf-“ oder „Alphahunden“ mutieren? Sogar die Scheinträchtigkeit der Hündin sei ein Dominanzproblem, versicherte mir unlängst ein „Experte“. Auch der „Alphatrieb“ fällt hierunter, wenn mir auch noch niemand bis heute dieses Phänomen schlüssig erklären konnte. Nun, diese „Zöpfe“ können wir getrost abschneiden und zur Ablage unter „Kurioses“ legen.
Ist es typisch deutsch, dass die öffentliche Meinung nun ins andere Extrem schlägt? Oder einfach nur menschlich? Auf einmal gibt es keine Dominanz mehr, es sei gar „verboten“, dieses Wort zu benutzen, wurde uns kürzlich auf einem Fortbildungsseminar vom Referenten mitgeteilt. Oder – besonders hübsch – in einem Internetforum konnte frau lesen, dass Hunde „kein Rangsordnungsbewußtsein gegenüber dem Menschen“ hätten, aber „natürlich sehr wohl hierarchisch strukturiert denken“ würden. Ach?
Wenn jetzt allerorten behauptet wird, dass wir als Menschen keinerlei Regeln mehr im Umgang mit unseren Hunden beachten sollen und unsere Hunde nur als Konditionierungsobjekte betrachtet werden, können wir uns damit nicht identifizieren.
Sind Hunde etwa auf einmal keine Rudeltiere mehr, die eine möglichst stabile Rangordnung aufstellen? Selbstverständlich nicht. Aber es ist eben schick geworden, Hunden zu unterstellen, sie würden ihr komplexes (zwar bei weitem nicht so komplex wie bei ihren Stammvätern, den Wölfen, aber eben doch keinesfalls nur als simple Hackordnung ausgeprägtes) Sozialverhalten dem Menschen gegenüber nicht zeigen. Damit fallen dann Standards in der Hundeerziehung wie Privilegienbeschneidung, Einschränkung von Ressourcenzugang, Hausstandsregeln wie z.B. die Zubilligung von erhöhten Liegeplätzen etc. einfach weg und sind nach Aussagen vieler Hundeexpertinnen völlig unwichtig geworden. Begründet wird diese Meinung damit, dass Hunde Menschen eben als Menschen ansähen und nicht als Hunde.
Unsere Meinung hierzu: Wie wir in der Vorstellungswelt von Hunden erscheinen, wird beim derzeitigen Stand der Forschung erst einmal ein Rätsel bleiben. Wir können weder beweisen noch widerlegen, ob wir in den Augen der Hunde „Hunde“, „Menschen“ oder „seltsame Hunde“ sind. Und im Grunde ist das auch überhaupt nicht wichtig, sondern in gewisser Weise Wortklauberei.
Fakt ist, dass Hunde (sinnvolle Aufzucht vorausgesetzt) in ihrer Präge- und Sozialisierungsphase Menschen als Sozialpartner kennen lernen und diese damit als solche annehmen. Ich bin der festen Überzeugung, dass Hunde nicht in der Lage sind, philosophische Betrachtungen über Menschen und Hunde anzustellen, geschweige denn eine Unterscheidung im Umgang daraus zu folgern. Natürlich sind Hunde andererseits so flexibel, dass sie viele Regeln und Kommunikationsstrukturen, die Hunde im Umgang untereinander beachten, für den Menschen einfach außer Acht lassen können. Die wirklich wichtigen Regeln im Sinne einer funktionierenden Rangordnung jedoch beachten Sie immer! Ganz kurz zusammengefasst läßt sich das auf die Aussage „Wer bewegt wen und/oder wer kann wen einschränken“ (nach Frau Dr. Feddersen-Petersen) reduzieren.
Wenn Sie Ihr Zusammenleben mit Ihrem Hund unter diesem Gesichtspunkt betrachten, werden Sie evtl. Schwachstellen schnell feststellen. Die allseits bekannten Hausstandsregeln wie keine Zuweisung von erhöhten Liegeplätzen, Ignorieren von Manipulationsverhalten, wer ißt wann, wer darf zuerst durch die Tür etc. sind natürlich nur pauschale Anhaltspunkte, die für jeden Hund individuell bewertet werden müssen.
Da wir uns keinesfalls einbilden, das Rad ständig neu erfinden zu müssen, möchten wir an dieser Stelle aus dem Standardwerk (Hundepsychologie, Kosmos-Verlag, Oktober 2004, S. 261ff.) von Frau Dr. Feddersen-Petersen zitieren:
„Interaktionen Mensch-Hund, die sofort, also unmittelbar einem nicht zu tolerierenden Verhalten des Kleinen oder bereits einer Intention dazu folgen, als negative Reize wirken und dem Welpen ermöglichen, dieses zu assoziieren, führen zu keiner Entfremdung, sondern schaffen klare soziale Beziehungen im Gruppengefüge. Natürlich schließt dieses nicht aus, dass Welpen, wie alle Tiere, über positive Verstärkung in entspannter Atmosphäre am besten lernen, dass sie problemlos nach lerntheoretischen Gesetzmäßigkeiten konditioniert werden können und auch sollten. Ein zeitgerechtes Bestrafen (Wegstoßen mit zischendem Laut o.ä.,) indes, bedeutet nicht selten den Beginn eines mühevollen Prozesses – und ist biologisch sinnvoll. Von einigen Autoren wird auch diese Art der Bestrafung als „nicht dem neuesten Kenntnisstand entsprechend“ abgetan. Dem kann ich in dieser strikten Pauschalierung nicht folgen.
Es ist nicht gleichgültig, wann mit der Erziehung des Junghundes begonnen wird. Man sollte es sofort tun, damit sich der Welpe von Anfang an in die gewünschte, zur Familie passende Position einfügt. Unerfahrene Tierbesitzer verschieben die Erziehung oftmals auf einen späteren Zeitpunkt, „weil der Welpe noch so klein sei“. Das ist sicherlich falsch. So lernt der heranwachsende Hund, dass und wie Menschen zu lenken sind. Erweist er sich als „sozial explorativ“, so kommt es (völlig unnötig) zu Rivalitäten um Dinge und Gegebenheiten des Soziallebens. Hunde streben in individuell unterschiedlicher Ausprägung höhere Ränge, verbunden mit größerem Handlungsspielraum an (s.S. 193). So manch bissiger Hund wurde als Welpe „antiautoritär“ erzogen“.
Im Grunde ist die gesamte Diskussion über Rangordnung und Dominanz überflüssig und in vielen Fällen auch nur Wortklauberei oder folgt Modetrends. Dominanz ist keine Charaktereigenschaft! Hunde können sich aber in bestimmten Situationen dominierend gegenüber Artgenossen und Menschen zeigen. Dem gilt es ohne Brutalität sinnvoll zu begegnen. Früher (und leider auch heute noch in vielen Fällen) griff der Mensch in seiner Unwissenheit zu körperlicher Härte. Aber auch der heutige Trend mittels ausschließlich „positiver Bestärkung“ und völliger Mißachtung hundlicher Regeln geht am Wesen unserer Hunde völlig vorbei. Ausführlich, kompetent und wissenschaftlich abgesichert nachzulesen im o.g., absolut empfehlenswerten Buch „Hundespychologie“.
Gute Hundeerziehung ist in erster Linie artgerecht und vor allem für den Hund verständlich. So positiv wie möglich und so negativ wie nötig, individuell auf den jeweiligen Hund abgestimmt und für den dazugehörigen Menschen mach- und nachvollziehbar ist der Erziehungstil, den wir an unsere Kundinnen und Seminarteilnehmerinnen vermitteln.
Petra Führmann und Iris Franzke
Dominanz bei Hunden – Fakt, Fiktion oder Projektion?
Es gibt Begriffe in der Hundeerziehungswelt, die erinnern ein bisschen an Harry Potters „der, dessen Name nicht genannt werden darf“ – nur, dass es hierbei nicht um eine Person geht, die das Böse verkörpert, sondern um ein Konzept. „Ein Konzept, das“ – so schreibt Patricia McConnell schon vor über einem Jahrzehnt – „in manchen Kreisen schon politisch inkorrekt ist“, so dass sie lieber vom „früher als Dominanz bezeichneten Konzept“ spricht. „Aber“, so schreibt Jennifer Cattet Ph.D in einen früheren Blog-Beitrag über SPARCS 2014: „Wissenschaft schert sich nicht darum, wer Recht hat und wer nicht […] Sie ist unser bestes Werkzeug zum objektiven Verständnis sehr komplexer Systeme.“ Wissenschaftliche Blogs liefern nicht nur Daten, sondern interpretieren diese auch – und so liefert Jennifer Cattet’s interessanter Blog-Beitrag aktuelle Fakten zum Thema „Dominanz bei Hunden“ kombiniert mit ihrer Interpretation dieser Fakten.
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Trifft das Dominanz-Konzept auf Hunde zu? Die Wissenschaft sagt Ja
Gibt es ein Verhaltenskonzept, das wir als Dominanz zwischen Hunden oder zwischen Hunden und Menschen beschreiben können? Wie ich in einem früheren Blog „Dominanz und die Rudelführungsrolle bei Hunden – Umstritten und immer noch missverstanden“ erwähnt hatte, scheint es eine Trennlinie zwischen zwei Lagern zu geben. Viele Hundehalter und Profis glauben, dass Hunde, jede Interaktion mit anderen Individuen in Begriffen von Führen und Folgen, von dominant und submissiv definieren (Millan, 2008; Mönche von New Skete, 1978). Andere glauben, dass, wenn unsere Beziehung zu Hunden auf der Idee beruht, dass wir die „Rudelführer“ sein müssen, Konflikte zunehmen und dadurch aggressives Verhalten beim Hund ausgelöst werden könnte (Donaldson, 1996, O’Heare, 2007).
Im zuletzt genannten Lager wurde das Dominanzkonzept in Bezug auf Hunde (Bradshaw & al., 2009) soweit in Frage gestellt, dass viele jetzt glauben, dass es überhaupt nicht mehr auf Hunde (oder Wölfe) zutrifft. Bei anderen Arten, wie Pferden, Rindern, afrikanischen Wildhunden oder sogar Menschen, ist das Dominanzkonzept eine gültige Methode, bestimmte Aspekte einer Beziehung zwischen zwei Individuen zu beschreiben. Immer mehr Studien weisen darauf hin, dass Dominanz in Hund-Hund-Beziehungen tatsächlich eine Rolle spielt und wahrscheinlich auch Mensch-Hund-Beziehungen beeinflusst (Trisko 2011; Bonnani, 2012; van der Borg & al, 2012; Ákos 2014 Shilder & al., 2014). Das Thema ist komplex und die Literatur ist zu umfangreich, um sie in nur einem Blog zu präsentieren, aber da ich über einige neue Studien zu diesem Thema gestolpert bin, will ich einige der interessantesten Erkenntnisse und Theorien über Dominanz vorstellen, in der Hoffnung, dass wir die Diskussion eröffnen und den Begriff rehabilitieren können.
Bevor wir diese Diskussion weiter fortführen, lassen Sie uns den Begriff der Dominanz definieren. Ich höre oft, dass Menschen ihren Hund als dominant bezeichnen. Aber ist Dominanz eine Charaktereigenschaft? Der Begriff „Dominanz“ wird von Wissenschaftlern benutzt, um soziale Beziehungen zwischen Tieren zu beschreiben, die in einer Gruppe zusammenleben. Die Mitglieder jeder sozialen Gruppe haben jeweils einzigartige Eigenschaften. Einige sind körperlich stärker als andere, sie können schneller sein, mehr Ausdauer haben, sie können auch älter sein, etc. Bestimmte Individuen haben im Wettbewerb um Ressourcen also vorhersagbare Vorteile im Vergleich zu anderen. Beziehungen sind oft ungleichmäßig, so dass, wenn Tier A in den meisten Interaktionen die Oberhand über Tier B behält, wir sagen können, dass Tier A dominant über Tier B ist. Aber B kann auch dominant über C sein. Wenn Dominanz ein Verhaltensmerkmal wäre – würden wir B dann als dominant oder als untergeordnet beschreiben?
Bei der Untersuchung der Hierarchie in einer Gruppe, konzentrieren sich die Wissenschaftler auf vier Hauptfragen, um den Rang zwischen den Tieren festzulegen:
1. Zeigt Tier A häufiger typisches ‚Dominanz‘-Verhalten gegenüber Tier B als umgekehrt? Das Gegenteil ist gleichermaßen gültig: Zeigt Tier B häufiger typisch ’submissives‘ Verhalten gegenüber Tier A als umgekehrt?
2. Ist das Ergebnis der Interaktionen zwischen den Individuen in verschiedenen Kontexten gleich? Also, wenn A in der Regel den Paarungspartner bekommt und nicht B , gilt das auch für den Zugang zum Futter?
3. Sind diese Verhaltensweisen auf Dauer konsistent? Wenn wir mehrere Wochen oder Monate später zurückkommen, sehen wir dann die gleichen Interaktionen zwischen A und B?
4. Werden bestimmte [für Dominanz] relevante Verhaltensweisen immer nur in eine Richtung gezeigt, wie immer von A nach B, aber nie von B nach A, wird es sich dabei wahrscheinlich um ein formales Dominanzsignal oder meta-kommunikatives Signal handeln. Das Tier drückt damit entweder Dominanz oder Unterordnung aus. Dieses Verhalten wurde bei vielen Arten wie Wölfen und bestimmten Primaten gefunden. Zum Beispiel kann ein Wolf eine dominante Körperhaltung („high posture“ – Imponierhaltung) gegenüber untergeordneten Wölfen zeigen, wird aber dann gegenüber dem gleichen Tier niemals eine submissive Körperhaltung („low posture“) einnehmen, die Unterordnung ausdrückt.
In Bezug auf dominanzbasierte Beziehungen denken wir gerne, dass hochrangige Tiere den untergeordneten Tieren regelmäßig ihre Kraft und Stärke demonstrieren, um ihren Status zu festigen. In Wirklichkeit werden Dominanzbeziehungen in erster Linie durch die untergeordneten Individuen etabliert, die Signale formaler Submission gegenüber hochrangigen Tieren zeigen und damit deren Überlegenheit anerkennen. Dies reduziert die Anzahl der Konflikte in der Gruppe. Es erklärt auch, warum Wölfe in der Wildnis, wo Rudel durch ein Elternpaar und ihre Nachkommen gebildet werden, nur sehr wenige Konflikte haben. Probleme zwischen den Tieren gibt es gewöhnlich nur, wenn die Unterschiede zwischen den Tieren zu klein sind. Wenn wir den Vergleich zu Menschen ziehen: Ein Kind wird nur selten Eltern oder Großeltern in Frage stellen, aber wird ständig mit einem Bruder oder einer Schwester streiten und kämpfen. Wenn aus Kindern junge Erwachsene werden, reduzieren sich diese Unterschiede zu den Eltern und die zunehmenden Konflikte mit den Erwachsenen führen schließlich dazu, diese zu verlassen.
Aus dem gleichen Grund sind Auseinandersetzungen zwischen Hunden gleichen Geschlechts, die in einem Haushalt leben und ungefähr gleich groß und alt sind, häufiger und heftiger, als zwischen Hunden, bei denen diese Unterschiede größer sind. Dies ist der Punkt, an dem es wirklich schwierig wird. Unser Verhalten gegenüber unseren Hunden ist von Dominanztheorien geprägt, die auf der Beobachtung von gefangenen Wölfen beruhen, zwischen denen Konflikte häufiger sind als in der Wildnis.
Heute sind sich die meisten Wissenschaftler darüber einig, dass sich die Gruppendynamik von in Gefangenschaft lebenden und wilden Wölfen signifikant unterscheidet. Es gibt auch immer mehr Forschung, die auf ähnliche Unterschiede zwischen frei lebenden und in Mehrhundehaushalten lebenden Hunden hinweist. Neue Forschung belegt, dass auch bei frei lebenden Hunden tatsächlich ähnliche Sozialstrukturen wie bei Wölfen existieren (Bonnani & al, 2014. Caffazzo & al 2010).
Bedeutet das nun, dass die so genannte Dominanztheorie, die auch heute noch von Trainern angewendet wird, richtig ist? Absolut nicht! Wie wir sehen werden, ist die soziale Dynamik zwischen Hunden komplex und kann nicht auf die simple Anwendung von Regeln und Zwängen reduziert werden, mit denen eine bestimmte Sozialstruktur im Haushalt durchgesetzt werden soll.
Eine Studie, die Hunde in einer Hundetagesstätte untersuchte, hat festgestellt, dass diese Hunde lineare Hierarchien etablierten, die auf submissivem und aggressivem Verhalten basierten (Trisko, 2011). Das Alter als Hauptfaktor bestimmte, welche Tiere dominant waren. Jüngere Hunde unterwarfen sich regelmäßig älteren Hunden. Dominanzbeziehungen waren bei gleichgeschlechtlichen Paaren verbreiteter, als bei Paaren mit unterschiedlichem Geschlecht. Interessanterweise zeigten diese Hunde Dominanz/Unterwerfungs-Interaktionen, obwohl aggressives Verhalten vom Personal der Hundetagesstätte unterbunden und umgelenkt wurde. Außerdem wurden alle Hunde vorher geprüft und nur die in der Tagesstätte akzeptiert, die wenig bis gar keine Aggression gegenüber anderen Hunden zeigten. Aggressives Verhalten war also auch hier nicht die entscheidende Komponente der Interaktion.
Ein weiteres interessantes Ergebnis dieser Studie ist, dass Dominanzbeziehungen nur bei einem Drittel der möglichen Paare gefunden wurden, deshalb kann formale Dominanz einige, aber sicherlich nicht alle sozialen Beziehungen in einer Hundegruppe beschreiben. Vier verschiedene Arten von Beziehungen wurden ermittelt:
1. Formelle Beziehungen: Freundschaftliche Beziehung mit einseitiger Submission (22 %)
2. Egalitäre Beziehungen: Freundschaftliche Beziehung aber keine Dominanzbeziehung (21 %)
3. Agonistische Beziehungen: Einseitige Submission, aber keine freundschaftliche Beziehung (8 %)
4. Nicht-interaktive Beziehung: keine Unterordnung und keine freundschaftliche Beziehung (50 %)
In diesem Kontext wurde das Sozialverhalten der Hunde nicht nur dadurch reguliert, wer stärker, schneller, mutiger oder ängstlicher war, sondern könnte auch durch andere Faktoren beeinflusst werden: Lernen und Motivation. Es wäre möglich, dass, wenn Menschen einen toleranten und freundlichen Umgang fördern und verstärken, die Hunde eher egalitäre Beziehungen bilden. In Kindergärten, wo Lehrer körperliche Aggression unterbinden, lernen die Kinder, ihre Konflikte mit Worten zu lösen und mit der Zeit nimmt die Häufigkeit und Schwere der Kämpfe zwischen den Kindern ab (Roseth & al., 2007). Es ist möglich, dass Hunde, genau wie Kinder, lernen können, freundliches Verhalten statt physischer Aggression einzusetzen. Durch assoziatives Lernen, werden einige Tiere lernen, wie sie andere dominieren können. Andere werden nach dem Verlieren einer Auseinandersetzung zu „trainierten Verlierern“ und beginnen unterwürfiges Verhalten gegenüber bestimmten Individuen zu zeigen. Motivation wird ebenfalls Einfluss auf die Interaktionen haben, da der Wert der Ressource, um die Hunde wetteifern, sich verändert, je nachdem wie hungrig oder müde sie sind oder wie gering sie diese Ressource schätzen.
Es ist interessant, dass, während wir so sehr damit kämpfen, offen über Dominanz bei Hunden zu sprechen, gleichzeitig Konzepte von sozialer Macht, Dominanz und Unterwerfung als grundlegende Prinzipien der persönlichen Beziehungen bei Menschen betrachtet werden. Studien haben gezeigt, dass wir innerhalb der ersten Minuten, noch bevor ein Wort gesprochen worden ist, feststellen können, wer eine Beziehung dominiert. Ähnlich wie andere Tiere, zeigen Menschen Macht durch physisches Dominieren des anderen, sie sitzen in einer aufrechten Haltung, mit dem Kinn nach oben, zeigen direkten und ausgedehnten Blickkontakt und eine offene Körperhaltung. Auf der anderen Seite machen unterwürfige Menschen sich kleiner, um weniger Platz einzunehmen und brechen Augenkontakt ab. Diese Ähnlichkeiten könnten Hunden und Menschen dabei geholfen haben, einander zu verstehen und die Körperhaltungen des anderen in Bezug auf Dominanz / Unterordnung richtig zu interpretieren.
Gibt es also das Dominanzkonzept bei Hunden? Ja, das gibt es. Dominanz zwischen Tieren, eingeschlossen Hunden, ist ein validiertes wissenschaftliches Konzept, dass dabei hilft, eine bestimmte soziale Dynamik zwischen Tieren zu beschreiben und zu verstehen. Aber im Gegensatz zu dem, was uns empfohlen wurde, fördern wir die Stabilität der Gruppe nicht dadurch, dass wir Dominanz erzwingen. Das Akzeptieren des Begriffs Dominanz rechtfertigt nicht die Verwendung dominanter Verhaltensweisen wie der „Alpha-Rolle‘. Diese Methoden sind gefährlich und fördern Aggression. Angemessene Sozialisation und auf Belohnung basiertes Training, können beim Hund formales Submissionsverhalten gegenüber ihrem Menschen fördern und zur Entwicklung einer Beziehung beitragen, die auf Vertrauen und gegenseitigem Respekt beruht. Weil wir bestimmte langgehegte Überzeugungen über Dominanz ablegen, müssen wir nicht zum anderen Extrem wechseln und ihre Existenz an sich leugnen. Das Konzept der Dominanz erklärt sicherlich nicht alle sozialen Interaktionen unserer Hunde, aber es bietet eine gültige Methode, um bestimmte Arten von Interaktionen zu beschreiben.
Übersetzt von Mechthild Käufer