Gerade geistert wieder ein Verkaufsbeitrag von einem bekannten Fernsehtrainer durch die Facebookwelt, in der der Comedian etwas verkaufen möchte. Reizangeltraining sei toll und jeder Hund habe ja Spaß an der Action. Man möge bitte im Shop 22€ dafür da lassen.
Und jeder gute Hundetrainer verdreht die Augen und seufzt. Aber eigentlich sollten wir uns freuen, beschert es uns doch langfristig mehr verzweifelte Kunden mit überdrehten Hunden, die trotz der tollen Auslastung nicht zur Ruhe kommen, alles Jagen, die Kinder zwicken (ach nein, hüten), Fahrradfahrer und Jogger belästigen und das das alles, obwohl sie doch so sehr ausgelastet werden. Vielleicht könnte man mal mit Wasserpistole und Klapperdose das abstellen bitte?
Nein sagen wir dann. Machen wir nicht. Statt dessen steht ein langwieriges Training auf dem Programm: Grundgehorsam festigen, evtl. Suchtverhalten unterbinden (Kalter Entzug macht keinen Spaß!) und dann kann man in ein paar Wochen evtl. an ein gut auftrainiertes Abbruchverhalten denken. Vorausgesetzt, der Mensch hat gut mitgearbeitet und an seinem Timing gefeilt. Hört sich nicht so lustig an oder? Besser wäre es, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen.
Was passiert denn so schlimmes beim Reizangeltraining, fragen Sie sich jetzt vielleicht. Der Hund hat doch so viel Spaß.
Reizangeltraining kann man so oder so machen. So wie im Video gezeigt, flitzt der Hund einfach einem schnellen Objekt hinterher und wird ihm entweder auf Befehl oder auch mit (sanfter) Gewalt wieder abgenommen, dann geht der Spaß weiter.
Was passiert da jetzt im Hund? Er lernt als erstes: Jagen macht Spaß. Dabei spielt sich im Körper das ganze dazugehörige hormonelle Geschehen ab. Endorphine usw. werden ausgeschüttet. Langfristig erzeugt das ein quasi suchtähnliches Verhalten: Bewegung – Spaß – Mehr davon! Wie Hunde nun mal sind, generalisieren sie sehr schnell: Fliegendes/Bewegendes Objekt – Spaß – Hinterher! In schlimmen Fällen lesen wir dann in der Zeitung davon, wenn der Hund „aus heiterem Himmel“ auf den Spielplatz gerannt ist und ein Kind gebissen hat, das mit einem Ball gespielt hat. Wenn Sie das nicht glauben (wollen): In fast allen Fällen tödlicher Aggression gegenüber Kindern war der Hund vorher mit häufigen Beutefangspielen (z.B. Bällchenwerfen) bespaßt worden. In den allermeisten Fällen fixiert sich der Hund immer mehr auf Bewegungsreize. Das gleiche gilt übrigens, wenn man Bällchen wirft, der Hund Blätter oder Schmetterlinge jagen darf etc.
Man kann die Reizangel aber auch sehr sinnvoll einsetzen: Selbstbeherrschung, Start-Stopp-Kommandos, Rückruf/Platz aus der Bewegung und bei Hunden, die die Veranlagung zeigen, das Vorstehen einüben und festigen. Hierbei geht es darum, dass der Hund angesichts von Bewegung lernt, sich zu beherrschen, Kommandos noch auszuführen und dann mit der „Beute“ maßvoll und kurz belohnt wird. Außerdem wird darauf geachtet, dass er die Jagd jederzeit auf Kommando abbricht und auch die Beute zurückbringt und auslässt. Das ist also schon eher fortgeschrittenes Training und dann sehr sinnvoll und gut. Wie immer hat also alles zwei Seiten.